Die Regulation des Körpergewichts,
ein komplexer Prozess
Die Regulation des Körpergewichts ist ein komplexer biologischer Prozess, der durch ein Zusammenspiel von Umwelteinflüssen und genetischen Faktoren geprägt wird (Hinney et al., 2022). Große genomweite Assoziationsstudien (GWAS) konnten bereits eine Vielzahl von genetischen Varianten, zumeist Einzelbasenaustausche, identifizieren, die mit Erkrankungen, wie beispielsweise der Anorexia nervosa (AN; Watson et al., 2019) oder auch der Varianz des Körpergewichts, gemessen am Body-Mass-Index (BMI; Hinney et al., 2007; Pulit et al., 2019; Yengo et al., 2018), assoziiert sind.
Unser Forschungsteam widmet sich der Untersuchung genetischer Mechanismen, die die Regulation des Körpergewichts und die Entwicklung von Adipositas sowie Essstörungen beeinflussen. Der Fokus liegt hierbei auf der Identifikation und Analyse von Kandidatengenen und genetischen Varianten, sowie der Erforschung von nicht-kodierenden RNAs, insbesondere zirkulären RNAs (circRNAs). Klassische Ansätze, wie etwa Genexpressionsanalysen werden durch cutting edge Methoden – darunter bioinformatische Auswertungen großer öffentlicher Datensätze (u.a. Rajcsanyi, Zheng, et al., 2022) oder auch Mendelschen Randomisierungsstudien (Dinkelbach et al., 2024; Peters et al., 2021) – ergänzt. Bei der Durchführung unserer Studien legen wir besonderen Wert auf die Berücksichtigung des (biologischen) Geschlechts. Dies ermöglicht eine verfeinerte Interpretation und letztlich eine auf die Patient:innen personalisierte Medizin. Das übergeordnete Ziel unserer Forschung besteht darin, durch ein umfassendes und tiefgreifendes Verständnis der genetischen Grundlagen der Erkrankungen die klinische Diagnostik und Versorgung zu verbessern.
Einige Projekte und Ansätze unserer Arbeitsgruppe:
Identifikation und Analyse von Kandidatengenen und genetischen Varianten
Ein zentraler Bestandteil unserer Forschung ist die Identifizierung und Analyse von Genen und genetischen Varianten, die einen Einfluss auf die Körpergewichtsregulation haben (u.a. Giuranna et al., 2024; Rajcsanyi et al., 2023; Zheng et al., 2022; Zheng et al., 2023). Hierbei liegt ein besonderer Fokus auf den Genen des Leptin-Melanokortin-Systems (Rajcsanyi et al., 2024), da dieses unter anderem für die Nahrungsaufnahme verantwortlich ist. Im Rahmen des von der Graute-Oppermann-Stiftung geförderten Graduiertenkollegs STAR-GEN (Starvationsforschung unter Berücksichtigung geschlechtersensibler Aspekte) werden diese Gene sowie assoziierte genetische Varianten und Mechanismen eingehend untersucht. Darüber hinaus sind wir aktive Mitglieder mehrerer internationaler Konsortien, wie dem Psychiatric Genomics Consortium (PGC) und dem Early Growth Genetics (EGG) Konsortium. Im Rahmen dieser Beteiligungen konnten wir zur Identifizierung genetischer Varianten, die mit AN und kindlicher Adipositas assoziiert sind, beigetragen.
Die Rolle von circRNAs in der Körpergewichtsregulation
Ein erheblicher Teil der in GWAS identifizierten genetischen Varianten befindet sich in nicht-kodierenden Regionen des Genoms und hat somit keinen direkten Einfluss auf die Proteinstruktur und -funktion (Giral et al., 2018; Watanabe et al., 2019). Aktuelle Studien legen nahe, dass diese Varianten indirekt über nicht-kodierende RNAs, wie etwa circRNAs, wirken könnten (u.a. Ahmed et al., 2019; Liu et al., 2019). Ursprünglich wurden circRNAs als Nebenprodukte des Spleißens betrachtet, jedoch erhielten sie seit den frühen 2010er Jahren verstärkt Aufmerksamkeit, als erste funktionelle Implikationen bekannt wurden (Barrett & Salzman, 2016). Unsere Arbeit konzentriert sich darauf, die Rolle von circRNAs in der Entstehung von Essstörungen und Adipositas zu untersuchen und mögliche Effekte von genetischen Varianten auf die Expression dieser RNA-Spezies zu erforschen (Rajcsanyi, Diebels, et al., 2022).
Prof. Dr. rer. nat.
Anke Hinney
Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters
Institut für geschlechtersensible Medizin
Dr. agr. Ing.
Triinu Peters
Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters